"Mein Kampf" - Rezension

09.11.03

Wir befinden uns in Wien, an einem kalten Wintermorgen. Gott ist gerade dabei, die Bibel umzugestalten, als Schlomo Herzl herein kommt. Schnell stellt sich heraus, dass Gott nicht Gott sondern der ehemalige Koch Lobkowitz ist, der, wie Schlomo, im Männerwohnheim in der Meldaustr. wohnt. Und schon gesellt sich ein neuer Mitbewohner dazu: Ein junger ambitionierter Künstler namens Hitler, der sich sogleich in ein Streitgespräch verwickelt, in dem er einiges über seine deutschen Tugenden klarstellt, aber auch durchblicken lässt, was für ein Muttersöhnchen er ist. All dies wird auf sehr sympatische, glaubwürdige Art gespielt, was an dieser Stelle unbedingt lobend erwähnt werden muss. Hitler wird mit einem Eifer gespielt der fast beängstigend ist. Dies ist nicht zuletzt auf den Rausch zurückzuführen, in den sich der Schauspieler hineingesteigert hat, was den Zuschauern in der ersten Reihe gelegentlich einen Spuckregen bescherte. Bei Schlomo wird auf understatement gesetzt, was bei dieser Figur das einzig richtige ist und gut rüberkommt. Schlomo verkörpert den unterschwelligen Witz der das Stück sympatisch macht. Allerdings ist bei diesem Stück auch ein gewisses Vorwissen gefragt; dies braucht man um gewisse Symbole zu verstehen, zum Beispiel den Kittel den Gretchen gegen Ende des Stückes trägt. Gretchen ist wohl die verwirrendste und kontroverseste Figur des Stückes. Sie ist ungefähr vierzehn und empfindet Schlomo gegenüber große Zuneigung (dieser ist um die fünfzig), geht dann über zu Hitler, bis der den Hahn, dessen Bedeutung in der Geschichte nicht deutlich wird, tötet. Ihr Gemütszustand springt zwischen gefühlsduselig, hart und apatisch. Sie hätte besser dargestellt werden können. Alles in allem ist "Mein Kampf" ein sehr sehenswertes Stück in dem die Thematik Hitler auf eine neue Art umgesetzt wird: Er wird nicht verharmlost, aber eine ganze Ecke menschlicher.

Ines