Mein Kampf - Der Autor: George Tabori

George Tabori wurde am 24. Mai 1914 in Budapest geboren. Er ist eine "lebende Theaterlegende" im deutschsprachigen Raum, dessen Werke und Inszenierungen, wie die Süddeutsche Zeitung einmal schrieb, "wundersame Gratwanderungen zwischen Schmerz und Scherz" sind, entstammt einer Journalistenfamilie. Sein Vater wurde in Auschwitz ermordet, seine Mutter entkam dem Vernichtungslager nur durch einen Zufall. Er selbst flüchtete sich nach London, wo er als Journalist und Übersetzer arbeitete und, nachdem er die britische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, bei der britischen Armee diente. 1943 erschien sein erster Roman Beneath the Stone, dem Companions of the Left Hand (1946) und Original Sin (1947) folgten. 1947 ging er in die USA, wo er Drehbücher u.a. für A. Hitchcock, A. Litvak und J. Losey schrieb, drei Stücke von B. Brecht ins Englische übersetzte und seine ersten Theaterstücke verfasste. Sein Debüt Flight to Egypt, das E. Kazan 1952 am Broadway inszenierte, war zwar kein Erfolg, aber bald fand Tabori mit eigenen Inszenierungen und weiteren Stücken (The Emperor's Clothes, 1953; Brouhaha, 1958; Brecht on Brecht, 1960) zu seinem Stil.
Tabori erarbeitet seine Inszenierungen meist mit einer losen Gruppe von Schauspielern später aber auch mit seiner eigenen Gruppe "The Strolling Players", bis er 1968 nach Deutschland kam und in Berlin sein Auschwitz-Stück The Cannibals inszenierte. In der Folgezeit verwirklichte er einige der interessantesten Klassiker-Adaptionen für das Theater, er bearbeitete Texte u.a. von W. Shakespeare, Euripides, Beckett und Kafka, aber auch von Gegenwartsautoren wie Enzensberger und brachte Stücke von Achternbusch, Mueller oder Jelinek zur Aufführung. Nachdem Tabori im deutschsprachigen Raum zunächst an wechselnden Orten als Regisseur gearbeitet hatte (Bremer Theaterlabor), war er von 1978 an vor allem in München für die Kammerspiele tätig und ging 1987 nach Wien, wo er für einige Jahre das "Theater Der Kreis" leitete. Weiterhin aber ist Tabori mit seinen Stücken - Peepshow, 1984; Mein Kampf, 1987; Weisman und Rotgesicht, 1990; Goldberg-Variationen, 1991; Der Großinquisitor, 1993; Die Massenmörderin und ihre Freunde, 1995 - ein kritisch-ironischer Beobachter der deutschen Gesellschaft, ihres Umgangs mit der NS-Vergangenheit und mit dem Aufkommen eines erneuten Rechtsradikalismus. 1992 erhielt er den Georg-Büchner-Preis und 1997 ernannte ihn das Wiener Burgtheater zum Ehrenmitglied.

George Tabori ist eine Ausnahmeerscheinung in mehrfacher Hinsicht: Als ungarischer Jude mit britischem Paß gibt er seit bald dreißig Jahren dem Theater in Deutschland und Österreich entscheidende Impulse. Er bekam mit dem Büchner-Preis die höchste an einen deutschsprachigen Schriftsteller zu vergebende Auszeichnung und schrieb doch alle seine Werke in englischer Sprache. Einige seiner Stücke gehören zum festen Bühnenrepertoire und [...] verweisen auf die unangefochtene Integrität seines Gesamtwerks, in dem unser von Krieg, Verfolgung und Vernichtung geprägtes Jahrhundert auf eine schrecklich-schöne Weise reflektiert wird. Tabori ist stets ein Außenseiter geblieben, der sich jedem Karrieregedanken verweigert hat. [...]

Aus: Text + Kritik Heft 133