Produktionsbericht Ein Winternachtstraum Teil 2

von Jens Reineking

Was ist bisher passiert?

Das letzte Mal sahen wir die mutigen Gesellen von AchtMachenTheater Ende Mai, mitten in der Probenphase. Einige Schauspieler standen nicht zur Verfügung, Bildmaterial für Plakate war vorhanden und das Stück im Stück (wir erinnern uns: "Hamlet") war noch nicht in Angriff genommen.

Wird es das Ensemble schaffen Shakespeare in fünf Minuten zu spielen? Wird Kenneth Branagh noch auf Ihren Brief antworten? Und was zum Teufel ist in der dritten Aufführung eigentlich passiert. Fragen über Fragen... Und hier die Antworten!

Werbewahnsinn

Je früher das Plakatfoto fertig ist, desto später werden die Plakate fertig. In diesem Falle sogar eigentlich zu spät: Statt wie üblich gemütlich die Verteiler der Freizeitheime in Anspruch nehmen zu können, mußten diesmal viele Plakate selbst geklebt werden.

Aber nicht nur die Zeit, auch die Kommunikation bereitete Probleme: Bis der plakattaugliche Scan des Bildmaterials vorlag waren Telefongespräche und eine persönliche Vorsprache in der Druckerei notwendig.

Ins Radio sind wir übrigens nicht gekommen, dafür kurz ins Fahrgastfernsehen - so ca. 1 Sekunde pro Durchlauf. Kurz, aber wir.

Heimkehrer und Dänemark

Im Sommer war es dann soweit, Andreas kam aus England zurück - und fuhr auch gleich wieder weg, Pfadfinder sind halt eifrig Reisende.

Dafür war er mit in Dänemark, wohin uns unser gemeinsamer Sommerurlaub führte. Passend zu Land und aktuellem Stück gab es die Vierstundenversion von Hamlet auf Video, zwei kleine Proben und längere Rollengespräche. Am wichtigsten war, daß zwei Holzkurzschwerter und drei Kendokas mit an Bord waren. Ausgestattet mit diesem soliden Hintergrundwissen im altehrwürdigen japanischen Schwertkampf und unzähligen schlechten Mantel- und Degenfilmen im Kopf entwickelten sie die Kampfchoreographie für unseren Kurzhamlet.

Proben (ein zu harmloses Wort für das Folgende)

So langsam näherten wir uns der Premiere mit rasendem Tempo, die größeren Szenen wurden entwickelt, eine Telefonzelle gebaut, zusätzliche Beleuchtung und fernbedienbare Steckdosen sowie eine zweite Nebelmaschine gekauft.

Unser Bühnenbild, bestehend aus unzähligen Papphockern, bekam die ersten Belastungsknicke - und Hamlet stand immer noch nicht.

Mittlerweile war klar, daß wir zum ersten Mal Statisten und Doppelrollen brauchten, die Menge der Figuren war anders nicht zu bewältigen. Glücklicherweise konnten wir Christian (der aus beruflichen Gründen eigentlich keine Rolle übernehmen wollte) zu einem Gastauftritt im dritten Akt bewegen - was nicht ohne nervliche Belastung in den Aufführungen abging da er entsprechend spät kam.

Auch zwei Lebensgefährten von Mitspielerinnen haben wir noch auf die Bühne gezerrt - einfach großartig, diese Hilfsbereitschaft (und noch zwei Menschen mehr zu koordinieren. Meine Nerven!!!)

Rauhe Zeiten

Mittlerweile fingen die Schauspieler an zu meutern, verständlicherweise, denn ich mußte ja mitspielen, hatte mich bisher aber auf die Regie konzentriert. Gut, Kostüm, Maske, Gang und Stimme standen, aber der Text war immer noch nicht da und ich meist nicht auf der Bühne.

Geändert haben wir das auf unserer Auswärtsprobe in Steinhude: Die mittlerweile ziemlich schwangere Anja übernahm die Endregie und ich ging auf die Bühne; in einer Nachmittagssession im Garten wurde Text gelernt - laut und mit viel Bewegung und noch mehr Begeisterung...

Die Unterkunft war sehr gemütlich, inklusive Kicker und einer kleinen Bühne im benachbarten Gemeindehaus. Da störte es doch kaum, daß das Heißwasser im Bad kaputt war und das ganze Haus ins Dunkel getaucht wurde wenn doch jemand versuchte warm zu duschen.

Ein Abend war dann endlich der Hamletkonzeption vorbehalten, Vorarbeit gab es schon: Eine (verständliche) Hamletfassung von 15 Minuten und eine daraus enstandene (eher assoziative) Hamletfassung von 5 Minuten.

Die Kampfchoreographie war zu diesem Zeitpunkt übrigens beiden Kämpfen bekannt und wurde fleißig geübt.

Am Ende der Auswärtsprobe stand das Stück, wacklig, aber es stand. Mit den anschließenden Hamlet- und Durchlaufproben waren wir dann für die Aufführungen bereit, wenn wie auch gerne noch vierzehn Tage mehr gehabt hätten.

Generalproben und Aufführungen

Da wir über keine feste Bühne verfügen, spielen wir in den Hannoverschen Freizeitheimen und der Evangelischen Fachhochschule, diesmal insgesamt fünf Aufführungen an vier Spielorten.

Vor der Premiere hatten wir zwei Proben auf einer richtigen Bühne - einmal Technik inklusive Durchlauf und die Generalprobe für die ersten beiden Aufführungen im Lister Turm. Und das waren für einige Zeit auch die letzten richtigen Proben...

Die Premiere war ein Erfolg, die zweite Aufführung auch. Leider hatten wir, bis auf die letzte Aufführung, weniger Zuschauer als sonst. Das mag an der späten Werbung gelegen haben oder auch an dem völlig unbekannten Stück. Egal, die Anwesenden waren's zufrieden.

Die Aufführungen hatten allerdings ihre Tücken, eine unserer Darstellerinnen stürzte heftig hinter der Bühne und spielte tapfer weiter, eine andere hatte einige Holzsplitter in ihrer Kehrseite und die Nebelmaschinen funktionierten nach ihren eigenen, uns undurchschaubaren Regeln.

Drittens...

Die dritte Aufführung war quasi eine Premiere, wir spielten zum ersten Mal im Freizeitheim Vahrenwald. Die einzige Vorstellung unter der Woche.

Und jetzt wurde es spannend: Unter der Woche hat der Amateurschauspieler an sich wenig Zeit und Technik- und Generalprobe müssen gemeinsam abgehalten werden. Und wenn man erst spät auf die Bühne kommt und die Technik aufgrund der unbekannten Gegebenheiten etwas länger dauert... Kurz, es war nur ein Schnelldurchlauf möglich, unseren Text haben wir mit einigen BlaBlas intelligent gekürzt und innerhalb einer Stunde das ganze Stück durchgespielt - zum Mißfallen unseres Technikers der z.T. nicht mehr mitkam und bis zu zwei Szenen hinten dran war.

Die Vorstellung war dann eher seltsam. Uns befiel eine Schwere und aus unserer Komödie wurde ein ernstes Stück. Glücklicherweise trugen Text, Inszenierung und Darsteller auch eine diese Interpretation, das Publikum war jedenfalls auch hier zufrieden.

Besonders gut gelang in diesem Falle der Schluß unseres Minihamlets. Kenner wissen: Hamlet und Laertes duellieren sich und daran sterben beide. Das Duell war immer spannend, vor allem, weil unsere beiden Kombattanten sich nie wirklich an die Kampfchoreographie hielten. In diesem Falle jedoch schlug auch noch das Schicksal zu: Eines der Schwerter zersplittere in einige nicht mehr unbedingt schwertähnliche Teile. Angeheizt durch diesen Schicksalsschlag erbrachten unsere Darsteller eine furchterregende Meisterleistung: Bewaffnet mit je einem langem Splitter in jeder Hand stürzte sich Hamlet auf Laertes, umging das gegnerische Schwert und gab ihm (d.h. Laertes) den Todesstoß!

Nach all dem versammelten wir uns zu einer After-Performance-Meditation auf der Bühne die letztendlich nur durch einen müden Zivi beendet wurde der endlich auch ins Bett wollte.

...und Viertens

war da das Freizeitheim Döhren, ein ganz spezieller Fall in diesem Fall. Bei technischen Fragen war nur der Vertretungshausmeister da, ohne Befugnisse und ohne Ahnung. Eine Woche vor unserer Generalprobe erfuhren wir, daß selbige nicht im Kalender stand, sprich gestrichen war. Panik! Aber mittlerweile abgehärtet wurde kurzfristig ein Besichtigungstermin vereinbart und schnell ein Bühnenkonzept entwickelt. Dieses wurde dann während der Aufführungsvorbereitungen noch schnell unter die Schauspieler und den Techniker gebracht. Hat funktioniert.

Und die letzte Vorstellung

Endlich betraten wir wieder vertrautes Gelände, die Bühne der Fachhochschule. Traditionell die letzte Aufführung eines Stückes und ebenso traditionell hatten wir es wieder geschafft eine Videocrew zu bekommen die unsere Heldentat aufzeichnete.

Kurz und gut, die beste Vorstellung überhaupt (nicht, daß die anderen schlecht gewesen wären!), mit vollen Zuschauerreihen, grandioser Stimmung, einem blendend gelaunten Ensemble und einer Aufführung in der alles klappte - Nebelmaschinen ausgenommen.

Drumrum

Was gibt es noch zu berichten? Zur ersten und letzten Aufführung hatten wir musikalische Gäste die ein wenig jazzten, bei den anderen Aufführungen spielte Berit zur Pause auf. Die Pausensnacks (stück- und jahreszeitengerecht: Lebkuchen) kamen gut an und die im Publikum anwesenden Mitamateure würden sogar zu weiteren Stücken nach Hannover kommen. Herz, was willst Du mehr?

Fazit

Trotz Streß, zwischenzeitlich extrem blankliegender Nerven und der völlig neuen Herausforderung durch die Adaption haben wir unsere Sache gut gemacht, auch wenn ich das jetzt selber sage.

Fotos findet Ihr übrigens auf unserer Website unter "Ein Winternachtstraum"

Nach diesem Ausflug ins Unerforschte steht übrigens auch schon fest wie es weitergeht: Nach dem neuen Winternachtstraum gehen wir jetzt den alten Sommernachtstraum an.

Jens Reineking für AchtMachenTheater