Produktionsbericht Ein Winternachtstraum Teil 1

von Jens Reineking

Prolog: "Wir haben zuviel Sonne" (vermutlich)

Filme gehören auf die Leinwand, Theaterstücke auf die Bühne - denkt man. Hollywood & Co bringen aber seit Jahr und Tag nicht nur Bücher in die Kinos, sondern auch Theaterstücke. Zeit, den Spieß umzudrehen, fanden wir.

Wir, das ist AchtMachenTheater aus Hannover, ein bunter Haufen von Studentinnen und Studenten und solchen, die es mal waren. Gegründet in einem Anflug von kulturellem Größenwahn im Jahre 1998, bieten wir eine breite Palette von Ingenieuren, Medizinern, Lehrern, Wirtschaftswissenschaftlern, Religionspädagogen, Bankkaufleuten, Informationsspezialisten und Naturwissenschaftlern auf - (fast) alle von dem unwiderstehlichen Drang auf die Bühne zu gehen besessen. Unsere Gruppe dreht sich also um die Schauspieler. Der ganze Rest wie Regie, Kulisse, Kostüme und Technik ist halt notwendig und wird eben gemacht, sonst könnte man ja nicht spielen. Gespielt haben wir bisher übrigens die Komödien Heiraten ist immer ein Risiko, See How They Run - Guck mal wie die rennen, Noises Off - Der nackte Wahnsinn, Bunbury oder Ernst sein ist wichtig und als letztes den Krimi Verschleierter Horizont (besser bekannt als Mord an Bord oder Tod auf dem Nil, der ursprüngliche Titel erschien uns aber poetischer).

Was uns neben dem Theater noch vereint ist eine Vorliebe für Filme. Und wie das so ist, manchmal spinnt man anschließend eben rum: "Wenn wir den Film mit unserer Gruppe besetzen müssten, dann..." Keine Ahnung wie viele Besetzungslisten für Casablanca, Eins, Zwei, Drei, Die drei Musketiere oder Flash Gordon dabei schon aufgestellt worden sind.

Und dann war da dieser Videoabend mit Kenneth Branaghs Ein Winternachtstraum, ein Film aus dem beliebten Backstagegenre. Es geht, ganz kurz, um Joe. Joe möchte zu Weihnachten Hamlet in einer Kirche seines Heimatortes inszenieren um diese vor dem Abriß zu bewahren und sich selbst aus einem künstlerischen Tief zu befreien. Dazu sammelt er eine Truppe von Schauspielern (oder wie man auch sagen könnte: Verlieren, Außenseitern und Unangepaßten) zusammen und die Proben beginnen. Der Verlauf der Proben mit den Sticheleien, Zusammenbrüchen und Fehlschlägen ist Hauptteil der Geschichte, aber auch die Romantik kommt nicht zu kurz.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Und irgendwie setzte sich die Idee fest, diesen speziellen Film tatsächlich auf die Bühne zu bringen. Und damit fing es an.

Akt I: "Bereit sein ist alles"

Internet ist toll. Nach kurzer Recherche war klar, das Drehbuch zum Winternachstraum ist veröffentlicht worden - auf Englisch. Aber wozu hat man Sprachwissenschaftler in der Gruppe? Also bestellten wir. Das Drehbuch erwies sich als witzige Lektüre - und machte zum erstem Mal deutlich, auf was wir uns eingelassen hatten: Haufenweise kleine und kleinste Szenen, viele Orts- und Zeitwechsel, meist mitten in irgendwelche Gespräche hinein und wir müssen auch noch Teile von Hamlet spielen. Und das beste: Zwanzig Rollen und wir sind nur dreizehn Schauspieler, eine/r davon müsste ja auch noch Regie machen und die Verteilung Männer/Frauen stimmt auch mal wieder nicht. Amateurtheater pur eben.

Aber keine Panik, erst einmal sehen, ob die Übersetzung überhaupt funktioniert. Sie tat es. Und Lars bearbeitete nebenher auch gleich das Stück und fügte kleinere Szenen zu größeren zusammen und senkte die Zahl der Szenenwechsel auf schlappe fünfzig Stück.

Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig: Teile unseres Ensembles gingen für einige Monate in verschiedene Teile Europas zum Arbeiten und Studieren, die Rollen wurden verteilt und wir machten uns über die rechtliche Situation Gedanken.

Fangen wir hinten an: Dürfen wir den Film überhaupt auf die Bühne bringen? Wer hat da die Rechte? Nach Beratung mit einem Bekannten aus dem Verlagswesen nahm Lars Kontakt zur VG Wort auf - was zu nicht unbeträchtlicher Verwirrung führte: "Was wollen Sie? Nein, die Rechte liegen beim entsprechenden deutschen Filmverleih. Wie, nicht als Film? Als Theaterstück?! In eigener Übersetzung... <Schweigen>"

Nach dem das Schweigen beendet war, stand der Inszenierung nichts mehr im Wege, anscheinend war dieser spezielle Fall nicht vorgesehen. Blieb noch eins, nämlich einen Brief an Kenneth Branagh selbst zu schreiben und höflicherweise um seine Zustimmung zu bitten. Eine Antwort haben wir zur Zeit noch nicht, aber die Produktion werden wir jetzt in jedem Fall durchziehen.

Akt II: "Geht, und heißt die Truppen feuern"

Doch dafür muß erst einmal feststehen, welche Truppen man eigentlich zur Verfügung hat und wer das Kommando führt.

Punkt eins führte zu ersten Komplikationen. Einer unserer männlichen Darsteller ist nämlich bis Juli 2002 in England, ebenso unsere Managerin. Eine Darstellerin war Ende 2001 in Südtirol, eine andere Anfang 2002 in Basel, aber das waren Kleinigkeiten. Die Premiere wurde auf den 11. Oktober 2002 im Lister Turm festgesetzt. Ort und Zeit der ersten Schlacht standen fest.

Die Rollenverteilung gestaltete sich etwas kompliziert, denn es gibt viele Rollen, aber davon sind auch eine ganze Menge sehr klein. Neun Monate proben um dann gerade mal fünf Minuten auf der Bühne zu sein, daß ist nicht jederpersons Sache. Als Lösung gab es dann wieder die bereits aus anderen Stücken bewährten Doppelbesetzungen: In der einen Vorstellung Nebenrollen, in der anderen eine Hauptrolle. Das bedeutet zwar immer ein Mehr an Probenaufwand, sichert allerdings auch die Motivation der Mitspieler.

Punkt zwei, Regie. Alle, die Lust hatten, hatten auch keine Zeit. Und eigentlich konnten wir von den Männen sowieso keinen für die Regie entbehren, wir haben sowenig davon. Die Idee eines Regieduos wurde geboren. Als mögliche Regieführende kamen drei Personen in Frage, Anja, Steffi und Jens, also ich. Steffi musste wegen Diplomarbeit und Anerkennungsjahr ziemlich schnell absagen, Anja war zu Beginn der Proben noch in Basel. Also fing ich schon mal "provisorisch" als Alleinregisseur an, meine zweite Regiearbeit. Und da nichts dauerhafter ist als ein Provisurium, führe ich immer noch allein Regie, zwar mit Unterstützung, aber hauptverantwortlich.

Erste Schritte

Da allen klar war, welches Mammutprojekt wir uns vorgenommen haben, war der Dezember und ein Teil des Januars den Vorbereitungen gewidmet. Die Aufgaben wurden verteilt und Verantwortliche für Management, Werbung, Kostüm, Maske, Kulisse und Requisite bestimmt. Eine kleine Gruppe traf sich mehrfach um die Dramatisierung des Filmes zu überarbeiten und Ideen zu entwickeln, wie denn die typischen Filmmittel (Schnitte, Montagen, Collagen) auf die Bühne gebracht werden könnten. Gleichzeitig ging die erste Textfassung an die Schauspieler und wir trafen uns mehrmals zu reinen Textproben - lesen und so gut es ging auswendig das Stück schon mal durchgehen. Der Erfolg läßt sich sehen, nie zuvor haben wir so früh so große Teile unseres Textes gekonnt!

Im Februar gab es auch den ersten Fototermin, wir wollten diesmal nämlich möglichst früh Material für die Werbung zusammen haben, auch, weil wir für dieses Stück in zwei Stufen werben wollen: direkt vor den Aufführungen und zwei Monate vor der Premiere. Für solche Fotos engagieren wir dann auch immer einen professionellen Fotografen, schließlich hängt von der Werbung viel ab. Wir trafen uns in einer Kirche und stellten alle möglichen Szenen nach. Jetzt, drei Monate später, würden die meisten davon schon ganz anders aussehen, aber es tut gut schon mal einiges an Material in Reserve zu haben.

Akt III: "Sein oder nicht sein"

Eine Frage, die uns auch beschäftigt. Probenarbeit hat halt immer etwas existentielles, bedrohliches: "Stimmt der Text? Bin ich in der Rolle? Werden wir das jemals schaffen? Waren wir vielleicht doch zu mutig?" Und, ganz wichtig: "Warum gibt es keine Schokolade mehr?"

Wir haben mit den Proben am Anfang des Stückes angefangen und sind jetzt, Anfang Mai, das erste Mal durch. Allerdings haben wir dabei alle Szenen mit mehr als vier Darstellern ausgelassen und auch das Stück im Stück (Ihr erinnert Euch: Hamlet) noch nicht angefasst. Warum? Mit den kleineren Szenen hatten wir erst einmal genug Material um die Figuren zu entwickeln, in den großen Szenen können wir uns dann von Anfang an mehr auf die eigentliche spielerische Umsetzung konzentrieren. Hamlet stand bisher außen vor um nicht zu viele Rollen auf einmal proben zu müssen. Außerdem fehlten uns sowohl für die großen Szenen als auch für Hamlet noch die endgültige Bühnenaufteilung.

Akt IV: "Und ist es nicht jetzt, so wird es doch kommen"

Ein kurzer Blick in die Zukunft zeigt, daß jetzt die komplexeren Szenen zur Bearbeitung anstehen. Parallel dazu müssen Fragen in Sachen Technik, Maske und Kostüm geklärt werden. Außerdem müssen für verschiedene Rollen noch einige Fähigkeiten erworben werden: Steptanz, Bühnenfechten, Stürze vollführen und die Kunst, Bühenohrfeigen zu verteilen. Und, last but not least, werden wir uns in Shakespeares Meisterstück vertiefen und versuchen ihm in einigen kurzen Szenen gerecht zu werden.

Den Einsatz erhöhen

Dieses Stück auf die Bühne zu bringen ist bisher unser ehrgeizigstes Projekt, schließlich handelt es sich um eine Welturaufführung. Was wiederum heißt, niemand weiß, ob das Stück auf der Bühne vor Publikum tatsächlich funktioniert. Da wir also unseren Ruf und unsere Fans sowieso mit dieser Produktion aufs Spiel setzen, haben wir uns entschieden die Latte gleich noch ein wenig höher zu hängen und es publik zu machen. Dazu gehört die Erweiterung unserer Website www.AchtMachenTheater.de um eine Sonderseite speziell für den Produktionsverlauf und die Einrichtung eines eMail-Newsletters, in dem wir unsere aktuellen Termine verkünden. Ebenso dazu gehört eine breitere Öffentlichkeitsarbeit inklusive dem Versuch im Radio unterzukommen und eine Rezension in der Lokalpresse zu bekommen - und natürlich diese Artikelreihe im Rampenlicht damit alle unseren Triumph oder unser Scheitern mit verfolgen können.

Damit verabschieden wir uns für diesmal. Beim nächsten Mal gibt es dann der Saga zweiten Teil, sprich einen Eindruck aus der heißen Zeit der Proben und vielleicht auch schon einen Überblick über die Werbung. Im dritten Teil stellen wir uns dann der Öffentlichkeit, sprich es gibt eine Kritik unserer Aufführungen.

Tschüs und Toi, Toi, Toi für Eure eigenen Projekte!

AchtMachenTheater, Hannover